Frieden | 1947-1976
Alles, wofür sich Erwin Sehrt nach seiner Heimkehr engagierte, stand unter dem Eindruck seiner Kriegs- und Gefangenschaftserlebnisse. So sind die Gedichte von ihm in der Sprache der betroffenen Seele, aber auch in der sehr viel weiteren Perspektive des Geistes geschrieben. Mit seinen privaten Vorträgen, Seminaren oder seinen vielen Zeitungsartikeln, wirkte Erwin Sehrt als Botschafter für den Frieden.
Wer wieder töten will
Wer wieder
richten will den Nachbarn drüben,
Wer Neid und Rachsucht kündet früh und spät; Wer durch ein Netz von abgefeimten Lügen Die Drachensaat des Hasses wieder säht - - Wer wieder kämpfen will an allen Enden, Das Glück von Völkern in den Staub zertritt, Wer selbst mit Bruderblut an seinen Händen Von einer Untat zu der andern schritt - - Wer wieder streiten will in neuem Kampfe, Wem all dies Grauen noch nicht hat genügt, Wer schwärmt vom Heldentod im Pulverdampfe Wo seine Seele nach Walhalla fliegt - - Schau dich nur um, hast Du denn nichts gesehen? Sah'st Du nicht fließen all der Tränen viel? Bliebst Du noch Mensch im grausigsten Geschehen, Ertrank im Blutrausch nicht auch Dein Gefühl? Wo blieb Dein Freund, der auszog siegestrunken, Wo steckt die Mutter, die Dich so geliebt? Sie sind in eine graue Nacht gesunken, Aus der es niemals eine Rückkehr gibt. Die Saat zerstampfet von den Pferdehufen, Zerstört das Heim und uferlos die Not - - Hörst Du nicht klagend ferne Stimmen rufen: Du hast zertreten Deiner Kinder Brot! Unschuldig Blut muß hoch zum Himmel schreien, Bis allerorten die Erkenntnis quillt, Es können Glück und Friede nur gedeihen Wo unbeschränkt das Wort der Liebe gilt! In diesem Reiche habt ihr nichts zu suchen, Wo endlich sich der Mut zum Leben regt. Die Ungebor'nen möchten euch verfluchen: Wer wieder töten will, wird weggefegt! |
Gedicht + Photographie: Erwin Sehrt
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Aphorismen
Hunger und Liebe sollen
regieren
Die Menschengeschlechter von Anbeginn. Es kann die Liebe zum Edelsten führen, Der Hunger reißt uns zum Raubtier hin. So zerren die Kräfte von beiden Enden; Wir lassen es ruhig dabei bewenden. * Nicht immer kann man ersehen, Ob führen der Weg wird ins Glück. Wo keine Tafeln mehr stehen, Beginnt der entscheidende Schritt. * Verwandte hat Gott uns gegeben, Da kann man nicht wählerisch sein. Doch prüfe und greif' nicht daneben, Freunde sucht man sich allein. * Laß Sorgen und der Traurigkeit Nicht ungehemmten Lauf. Auch über einem Meer von Leid Geht doch die Sonne auf. * Grüß lieber heut, von Dank erfüllt, Die Welt im Sonnenschein. Der Tag, dem deine Sehnsucht gilt, Kann stark verregnet sein. * Zufrieden darf man niemals sein, Mit sich nicht und der Welt. Sieht man der andern Not und Pein, Uns das Gewissen quält. * Der nur ist wahrhaft frei zu nennen, Der, ohne Hass und Furcht zu kennen, In allen Dingen bleibt sich selber treu, Auf dass er seine Handlung nie bereu'. * Wenn man Dich kränkt, so bleibe still und heiter, Wenn man verleumdet, zeig ein froh Gesicht. Will man Dich reizen, gehe aufrecht weiter, doch unterjochen lasse niemals Dich! * Das Edle mit dem Bösen ringt Oft um das höchste Gut. Wo nur ein Fünkchen Gutes glimmt, Entfach' es dann zur Glut! Gedichte + Photographie: Erwin Sehrt
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Mein Sonnenschein
Es flattern
die Haare im Morgenwind;
umflutet vom Lichte ein jauchzendes Kind. Vom himmlischen Glanze ein Stückchen ward Dein, weshalb ich Dich nannte mein Sonnenschein. Wenn trüber Kummer das Herz erfüllt, betrachte ich immer dein strahlendes Bild Von Sorgen und Leid von Schmerz und Pein, befreit mich dann lächelnd mein Sonnenschein. Und schwinden die Zeiten, die Jahre dahin, laß nie Dir entgleiten den fröhlichen Sinn. Dann werden des Lebens Triumphe erst Dein, und krönen dein Wirken, mein Sonnenschein. |
Gedicht + Photographie: Erwin Sehrt
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Die Jugend mahnt
Wenn
ich denke, dass auch mir
Einst das Schicksal blüht, Wie ein armes Arbeitstier Seinen Karren zieht - - - Dass mein Sehnen ungestillt Flügellahm zerbricht; Weil die Ordnung es befielt Darf ich nicht ans Licht? Soll ich eurer Knechtschaft Pein Euer Armut Joch Später ausgeliefert sein, Dafür dank ich doch! Wollt ihr, dass mein Leben hell und die Zukunft klar, Dann ergreift das Steuer schnell, raus aus der Gefahr. HEUTE legt die Hände an Bis das Unrecht fällt; Wer die Zeiten meistern kann Baut die neue Welt! |
Gedicht + Photographie: Erwin Sehrt
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Weihnacht
Ein Stern ging auf in
finst'rer Nacht,
Wer wollte dies ergründen? Ein Kindlein hat das Licht gebracht, Die Herzen zu entzünden. Und wieder strahlt der Lichterbaum, - das Dunkel will nicht weichen – Wir sind befangen wie im Traum Und warten auf ein Zeichen. Dabei weilt unter uns das Glück verbannet bald die Sorgen, Liegt in der Kinder reinem Blick Das WUNDER doch verborgen. Gedicht + Photographie: Erwin Sehrt
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Elektronischer Dichter
jeder schnee ist kalt
und nicht jeder engel ist weiß und nicht jeder schnee ist still und kein friede ist kalt und kein engel ist hell und jeder friede ist still kein friede ist weiß oder der engel ist weiß oder ein christbaum ist kalt und nicht jeder friede ist schön und ein christkind ist leise jeder nikolaus ist still oder nicht jedes kind ist still oder der wald ist kalt und kein wald ist schön oder kein engel ist schön oder der schlitten ist still oder das kind ist weiß der schnee ist kalt und jeder friede ist tief und kein christbaum ist leise oder jede kerze ist weiß oder ein friede ist kalt oder nicht jede kerze ist rein und ein engel ist rein und jeder friede ist still |
Gedicht + Photographie: Erwin Sehrt
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Ein Mensch ging...
Ein
Mensch ging durch die
Zeit.
Ein Mensch. – Und das war viel! – Und das war schwer; Denn es war untersagt, ein Mensch zu sein. Und oft verweigert sich das Antlitz, Sich das Erkennen, - Aus Scham und Zorn. - - Nun zieht der bittre Kreuzzug auch bei uns Die Straße seiner Qual, erniedrigt und geschmäht. Verzweiflung züngelt. Gier und Lust Umspannen das geborstne Dach Wie Geier Und Mütter weinen. Kinder starren Unbewegt und blicklos. Und Mädchen tragen Früchte der Gewalt. Männer reißen die Gerechtigkeit Sich wund am Stacheldraht. Und um sie wittert Gift. - - Ein Mensch steht aufgereckten Haupts Auf der verbrannten Statt. Ein Mensch! Und das ist viel! – Mit nicht erlahmter Hand Trägt er die Fackel Der Unverbrüchlichkeit. Und seine Rechte streut Samen auf das Land, - Die Zukunft und das Recht. Die Zukunft, - Für dein Kind, dass es nicht weinen muss und nicht verderben. |
Gedicht + Photographie: Erwin Sehrt
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Das Dasein
I
Des Lebens Anfang In Schleier gehüllt. Die Kindheit schenkt uns Manch sonniges Bild. II Des Lebens Inhalt: Kampf ohne End, Bis man sich den harten Schädel einrennt. III Des Lebens Betät'gung, Jagd nach dem Geld, Die dauernd den Menschen in Atem hält. IV Die glücklichen Stunden Vergehen bald; Die wärmsten Gefühle, Sie werden kalt. V Wir werden älter Mit jedem Jahr, Die Züge erschlaffen, Es bleicht das Haar. |
VI
Dann wünschet mancher: Wär' ich doch noch jung. Des Lebens Ausklang, Erinnerung. VII Wer so das Dasein Zu End' gebracht, Ging durch das Leben In dunkler Nacht. VIII Zu Trümmern einstmals Und Staub zerfällt Wofür sie gestrebet Auf dieser Welt. IX Es floss wie im Traume Dahin durch die Zeit; Weil niemals sie dachten An Anderer Leid. X Das Menschenleben Im Fluge vergeht; Tu Gutes darum, Eh' es zu spät. |
Gedicht + Photographie: Erwin Sehrt
Zum Gedenken an Hilde
gestorben am 16.11.1975 zu Kassel
Denn es wird der Liebe Macht
Nimmermehr zerschellt; Liebe, die der Schöpfung Pracht Und das Weltall hält. Liebe, deren Künder Du Immer wolltest sein, Schlafe nun in Stiller Ruh'! Ich gedenke Dein. Ruhe aus vom Weg so weit In des Grabes Nacht, Bis im Glanz der Ewigkeit Auch Dein Tag erwacht; Da der Weltenrichter mild Dir Dein Urteil spricht: „Weil Dein Leben war erfüllt, Gehe ein zum Licht!“ Gedicht + Photographie: Erwin Sehrt
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